
Entstanden in Kooperation mit Michelle-Francine Ulz (@_nobodyswife__)
Aufgenommen in die Sammlung des MK&G – Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg.
Vorwort:
“Auch wenn Frauen vielleicht doch etwas wissen von den Komplikationen des Trinkerlebens:
Ihr Trinken ist (laut Lowry) niemals so bedeutsam wie das eines Mannes.” (Jamison, 2018:44)
Kerouac, Fitzgerald, Schwab, Brus, Picasso – der Trinker ist Künstler ist Genie. Männliches Trinken schafft Leiden, männliches Leid schafft große Kunst, große Worte, größere Größe.
«The old drunk legends are all men.»
Männer, die es mögen, sich die eigenen Gräber aus den betrunkenen Mythen der anderen zu schaufeln. Die französische Schriftstellerin
Marguerite Duras hingegen beschreibt weibliches Trinken als “würden Tiere trinken, oder ein Kind.”
Das Trinken der Frau ist also niemals genie – , sondern schambehaftet. Durch das Trinken vernachlässigt die Frau ihre zentrale Rolle in der patriarchalen Gesellschaft – ihre Fürsorgepflicht für Mann und Kind.
Und doch stellt weibliches Trinken – das der Künstlerinnen, der Ehefrauen, der Arbeiterinnen und der Hausfrauen – hinsichtlich dieser Absage eine gewisse agency:
- das Trinken der Frau als bewusste Absage an die Rolle, die sie im Patriarchat erhält
- das Trinken der Frau als Absage des sexuellen Status Quo
- das Trinken der Frau als Handlungsfähigkeit
- das Trinken der Frau als absichtliche Unweiblichkeit in einer Gesellschafft, die Männer Weiblichkeit definieren lässt
- das Trinken der Frau als Spiel mit sexistischen Stereotypen hinsichtlich weiblicher Körper, Sexualität und Moralität
- das Trinken der Frau als Kunst
Weibliches Trinken oder das Trinken der Frau ist also auch ein subversiver Akt im Patriarchat, der sie der zugeschriebenen Rolle entzieht. Daneben soll auch das Konzept der old drunk legends beleuchtet werden, jene Trinker, wie Picasso oder Hemingway, die in der Kunst und Literatur nicht nur für ihr Können, sondern auch für ihr Trinken stilisiert werden und deren Frauen dieses Konzept getragen haben. Eine Idealisierung, die das Trinken des Mannes zu einem kunstvollen Akt empor hebt und das männliche Leiden weiter mystifiziert.
Hinter all diesen trinkenden Legenden stehen allerdings auch Frauen, die besoffene Kunst möglich gemacht haben und im Mythos unsichtbar blieben.
So lebte Jack Kerouac fast bis zum Tod bei seiner Mutter und die Frau von Dylan Thomas musste ständig seine Saufschulden begleichen.
Die gegenderte Struktur des Suffs in der Kunst und Literatur gibt also nicht nur Verweise auf eine berauschte Kultur, sondern auch auf die Organisation des Patriarchats – eine Organisation in der die Hemmungslosigkeit und das Leid der Männer auf den Schultern unsichtbarer Frauen getragen wird und die selbe Hemmungslosigkeit bei Frauen mit Scham bestraft wird.
(Text ©Michelle-Francine Ulz)


